Ist Positivität positiv?
„Was dich nicht umbringt, macht dich stärker!“ Ist das so? Eines ist zumindest sicher: Solche Phrasen sind nicht nur abgestumpft, sondern bergen auch die Gefahr der sogenannten toxischen Positivität.
Forschungen in Bezug auf positives Denken haben in den vergangenen Jahren ergeben, dass eine optimistische Einstellung Vorteile für die mentale Gesundheit haben kann. Allerdings ist die Wirksamkeit limitiert und positives Denken allein ist längst kein Allheilmittel für jegliche Probleme oder Herausforderungen, die das Leben uns stellen kann. Auch hier verhält es sich wie mit zahlreichen anderen Dingen: Zu viel des Guten ist dann eben doch nicht gut.
Toxische Positivität nennt man ein ungesundes Extrem, welches Menschen positives Denken als einzige Lösung aufzwingt und den Ausdruck negativer Gefühle quasi untersagt, ganz nach dem Motto „good Vibes only“. Doch das Ausradieren bzw. Ignorieren negativer Emotionen kann gefährlich sein. Trauer oder Wut, auch sie gehören zum Leben und erfüllen einen Zweck. Sie sind genau so wichtige Bestandteile unseres Wohlbefindens wie positive Gefühle.
Angst kann eine Person zum Beispiel auf eine gefährliche Situation oder ein moralisches Problem aufmerksam machen, während Wut eine normale Reaktion auf Ungerechtigkeit oder Fehlverhalten ist. Traurigkeit kann ein Zeichen für die Intensität eines Verlustes sein. Diese Emotionen nicht anzuerkennen bedeutet, dass man auch die Handlungen ignoriert, die sie auslösen können. Und: Nur weil man nicht über diese Emotionen spricht, sie sich mit Logik kleinredet oder über sie hinweglächelt, verschwinden sie nicht. Weinen ist reinigend und der Wut Ausdruck zu verleihen befreit. Authentizität ist wichtig und richtig. „Good Vibes only“ ist emotional ungesund und führt zu oberflächlichen Beziehungen. Wenn schon, bin ich für «Real Vibes only».
Ich empfehle eine gesunde Emotionsregulation, wo alle erdenklichen Emotionen Raum und Akzeptanz finden. Wo wir sie annehmen und konstruktiv mit ihnen umgehen.
Karin